1.Quartalsbericht

Liebe Leser, Liebe Spender, Liebe Förderer, 

Es ist nun an der Zeit meinen ersten Quartalsbericht zu verfassen, um über meine Arbeit und über mein Leben in Peru zu berichten. Ich habe bisher ereignisreiche Tage, Wochen und mittlerweile auch Monate, seit meiner Abreise im Juli aus Deutschland, erlebt. Wo fängt man hier an, wo hört man hier auf? Im folgenden Bericht versuche ich so viel wie möglich zu erläutern.

Meine Reise begann turbulent. Wegen eines Defekts am Flugzeug, musste ich gezwungenermaßen eine Nacht in einem Hotel in Paris verbringen. Der Flughafen Charlesde-Gaulle in Paris ist riesig. Es war eine wahre Odyssee, von Schalter zu Schalter, bis ich endlich mein Hotelzimmer für die Nacht und die neuen Flugdaten für den nächsten Tag hatte. Am nächsten Tag lief alles unkompliziert und ich landete nach ca. 13 Stunden Flugzeit in Lima. Nun war ich also in dem Land, dessen Sprache ich noch nicht mächtig bin und was für das kommende Jahr meine Heimat sein soll. Mit meinem Gepäck, ich hatte einen zusätzlichen Koffer mit zahlreichen Hörgeräten, ging es ins Taxi und zu meiner nächtlichen Unterkunft. Der Verkehr in Lima ist der Wahnsinn. Hier wird rechts und links überholt, es wird viel gehupt und es werden gerne mal aus drei Spuren sechs gemacht. In Deutschland ist man anderes gewohnt. Allerdings wird in ganz Peru die Hupe im Straßenverkehr ganz anders genutzt. Sie ist mehr Warnsignal, Achtung ich komme von rechts, links oder überquere eine Kreuzung, während man in Deutschland die Hupe meistens nutzt, um seinem Ärger mal Luft zu machen. Ich wurde sehr herzlich empfangen im „Casa Cuba“ (Organisation Santa Dorothea, Unterkunft in Lima). Es war nicht das erste Mal für mich in Peru. Als 12-jähriger Junge durfte ich mit meiner Familie einen wunderschönen Peru Urlaub erleben. Wir hatten in meiner Kindheit eine peruanische Austauschschülerin, dadurch habe ich mich auch schon immer besonders für Peru interessiert. 

Nachdem ich mir am nächsten Tag in Lima eine Simkarte für mein Handy besorgt habe, ich hatte natürlich eine Unterstützung dabei, ging es für mich abends mit dem Bus von Lima nach Cajamarca. Die Busse sind mit sehr komfortablen Sitzen, man kann sagen mehr Sessel, ausgestattet. Die Fahrzeit betrug ca. 20 Stunden und nach dem Sonnenaufgang konnte ich die Landschaft Perus betrachten. Da waren erstmal Stunden nur Wüste und Einöde zu sehen, aber immer wieder auch kleine Ortschaften mit einfachen Häusern. Je mehr Höhenmeter erreicht wurden, desto grüner wurde es. Mein Ziel ist die Stadt Cajamarca, diese gehört zu den Anden und liegt auf 2750 Höhenmetern. Als ich endlich in Cajamarca angekommen bin, wurde ich von meinem Vorgänger-Freiwilligen empfangen. Sein Name ist Chris und er hat mit mir zusammen die Berufsschule (für Hörakustiker) in Lübeck absolviert, ein guter Freund. 

Die Landschaft Cajamarcas ist wunderschön, es gibt viele Wiesen, es gibt viele Pflanzen und Blumen. Rings um Cajamarca herum befinden sich die Berge der Anden, die in die Höhe schießen. So bekommt man den Eindruck man befinde sich in einem Tal, und hat gar nicht das Gefühl 2750 Meter über dem Meeresspiegel zu leben. 

Der Schirmherr meines Projekts ist die Organisation Santa Dorothea, mit Hauptsitz in Cajamarca. Die Gründerin der Organisation heißt Christa Stark, eine nach Südamerika ausgewanderte Deutsche, die sehr viel Herz und Leidenschaft in die Errichtung eines Kinderheims, einer Sonderschule etc. gesteckt hat. Sie feiert dieses Jahr im Dezember ihren großen, runden 80. Geburtstag. Ihr wurde mit der Zeit bewusst, dass viele Kinder neben verschiedenen Beeinträchtigungen auch Hörprobleme hatten. Über Bekannte stellte Sie den Kontakt zu dem Hörakustikmeister aus Deutschland, Toni Merk her. Dieser reiste erstmals

1996 nach Peru, um dort Hörsysteme anzupassen. In der Folge entstand der Verein HörenHelfen-in-Peru e.V., für den ich nun aktiv vor Ort bin. Die Audiometrie liegt auf dem Gelände des Kinderheims. Dort leben viele Kinder, die meist irgendeine Beeinträchtigung haben. Dadurch habe ich nicht nur mit meinem Da sein als Akustiker zu tun, sondern auch viel Kontakt mit den Kindern und den Angestellten im Heim. 

Mein Vorgänger hatte noch zwei Wochen bis zu seiner Rückkehr nach Deutschland. Diese Zeit nutzten wir für eine saubere Übergabe der Arbeit. Er arbeitete mich ein und gab alles an mich weiter. In der Audiometrie arbeiten zwei Peruanerinnen, Gaby und Violeta. Im Kinderheim und in der Audiometrie ist auch viel Platz für Freiwillige, ich bin dieses Jahr leider der Einzige. 

Als ausgebildeter Hörakustiker bin ich für meine zwei Arbeitskolleginnen der „Jefe“ und habe auch die Aufgabe, ihnen so viel wie möglich beizubringen. Mein Vorgänger Chris hat hier echt großartige Arbeit geleistet und Ihnen schon viel zum Thema Akustik beigebracht. Die Grundsätzliche Arbeit besteht darin Hörtests zu erstellen, Abformungen des Ohres zu nehmen, Otoplastiken (Ohr Stück) zu fräsen, und schlussendlich auch die Hörsysteme anzupassen. Es ist eine andere Arbeit wie in Deutschland. In Peru ist noch viel mehr das Handwerkliche gefragt. In Deutschland kann man z.B. einen Abdruck des Ohres digitalisieren, an ein Labor senden und dann ein Ohr Stück im 3-D-Drucker herstellen lassen. Hier in Peru muss ich das Ohr Stück per Hand selbst fertigen. Über Abdrücke, Gipsformen und Rohlingen, geht es zum Fräsen einer Otoplastik. 

Da ist es wichtig auf Details zu achten, damit das Ohr Stück später nicht drückt oder wackelt. Die Hörgeräte, die wir anpassen, sind allesamt Spenden aus Deutschland, mit den unterschiedlichsten Herstellern. Dies ist eine weitere Umstellung. In Deutschland hat man als Akustiker meist seine zwei bis drei Lieblingshersteller, mit denen man bestens vertraut ist.

Jeder Hörsystemfabrikant hat andere Eigenschaften und eine eigene „Anpass-Software“, hier musste ich mich erstmal zurechtfinden. Am Ende des Tages ist aber jedes Hörgerät dafür da, um einen Hörverlust bestmöglich zu kompensieren. Durch meine Spanisch Defizite war es anfänglich sehr schwer für mich, dadurch gab es aber auch viele witzige Situationen. Mittlerweile bin ich auf einem besseren Sprach-Niveau, habe aber immer noch viel zu lernen. 

Mein Arbeitstag beginnt meistens um 9:00 Uhr und endet gegen 18:00 Uhr. Während meiner Mittagspause gehe ich im Kinderheim essen. Dort wird jeden Tag Frisch gekocht und ich konnte schon viel von der peruanischen Küche verkosten. Es ist zwar nicht alles mein Fall und auch der Magen muss sich umgewöhnen, es gibt aber auch sehr viel leckere Gerichte. Die Hauptzutaten bestehen meist aus Kartoffeln, dazu Reis und Gemüse und Fleisch oder Fisch.

Des Weiteren wird viel Mais gegessen, mit den verschiedensten Sorten, und sogar getrunken. Ein sehr leckeres Getränk aus rotem Mais, chicha morada. 

In Deutschland arbeitet man als Akustiker mit seinen Kunden, die am Ende des Tages dann manchmal auch viel Geld für ein Hörgerät ausgeben. In meinem Projekt kann man eher sagen, dass die Menschen dort Patienten sind. Es geht nur um die Verbesserung des Hörens und nicht um Profit oder erwirtschaften. Ungewollt wird man hier auch mal von den Peruanern als „Doktor“ angesprochen.

Die Hörsystemversorgung besteht aus einem Ersttermin, einem Anpasstermin, und der Nachsorge. Im Ersttermin führen wir mit den Menschen ein Anamnesegespräch durch, um mehr Informationen über die Hörprobleme zu bekommen. Danach wird der Hörtest gemacht und es werden Abdrücke von den Ohren genommen. Während meine Kunden in Deutschland meist eine leicht bis mittelgradige Hörminderung aufweisen, haben dagegen Hörgeschädigte

in Peru sehr schwere Hörverluste. Dies passiert aufgrund von nicht behandelten Mittelohrentzündungen, falscher Medikation oder wegen massiver Lautstärke.

Der Termin zur Anpassung der Hörgeräte folgt meist zwei Wochen später, nach erfolgreich gefertigter Otoplastik. Die Termine führe ich gemeinsam mit Gaby oder Violeta durch. Am Anfang wegen der Sprachbarriere, auch gar nicht anders möglich. Dort habe ich bisher viel erlebt. Es ist schön zu sehen, wenn man etwas Gutes bewirken konnte und die Menschen glücklich sind, weil sie wieder besser hören. Vor allem bei Kindern. Hörgeräte sind für die natürliche Entwicklung eines schwerhörigen Kindes unverzichtbar. Das Leuchten der Augen, die zum ersten Mal etwas hören, kann auch mal zu Tränen rühren. Es gibt aber auch Termine, in denen man den Menschen erklären muss, dass auch ein Hörsystem nichts mehr bringt. In manchen Fällen haben diese Menschen gut gehört, bis sie durch eine falsche Arztbehandlung ihr Gehör verloren. Dies führt hier in die Depression, bis hin zu Selbstmordversuchen. 

Die Versorgten Patienten kommen immer wieder zur Nachsorge. Ein Hörsystem muss gewartet werden, verschiedene Verschleißteile von Ohr Stück und Hörgerät müssen ausgetauscht werden. Auch muss man ein Blick auf die Einstellung des Hörsystems haben, da ein Hörverlust sich immer verändern kann.

Ein besonderes Projekt möchte ich noch erwähnen. Während eines Kurzurlaubs in Mancora

(Küste), besuchte ich eine Mitfreiwillige vor Ort. Sie verbringt ihren Freiwilligendienst in der

Arbeit mit Kindern. In einem Gespräch kam heraus, dass sie dort auch einige Hörgeschädigte Kinder hat. Wir starteten eine Kooperation zwischen unseren zwei Projekten und ermöglichten es so, dass die Kinder mit ihren Müttern nach Cajamarca kommen. Die Anreise betrug ganze 18 Stunden und für die Kinder und für viele Mütter war es das erste Mal, dass sie was anderes sahen als ihren Heimatort. Letztendlich konnten wir auch hier erfolgreich Hörgeräte anpassen und die Lebensqualität verbessern.

Das Fazit meines ersten Quartalsbericht lautet: 

Ich bin dankbar in Peru meine Arbeit als Hörakustiker verrichten zu dürfen. Die Menschen sind sehr herzlich und gastfreundlich. Ich genieße die Zeit und freue mich auf die Dinge, die noch kommen werden. 

Roman mit Violeta und Gaby